Bis zum ersten Juli 2012, so hieß es überall, muss eine Lösung gefunden sein. Verhandlungen könnten nicht des Verhandelns wegen ohne jedes Zeitlimit stattfinden. Die aktuellen Gespräche begannen bereits 2008. Damals war im griechischen Teil Dimitris Christofias an die Macht gekommen und man hat ihm nachgesagt, gut mit TRNC-Staatspräsident Talat auszukommen. Eine Einigung erzielten beide Seiten bis 2010 nicht. Noch immer gelten die Makarios-Denktaş-Leitlinien aus dem Jahr 1977 als das am weitestgehend ausverhandelte Stück Papier, das man als Übereinkunft für die Verhandlungen nutzen kann. Eine starke Zentralregierung – Wunsch der als „Regierung Zyperns“ anerkannten Griechen – versus starke Regionalregierung. Größtmögliche Sicherheit und Selbstbestimmung im eigenen Bundesstaat – Wunsch der vom Embargo betroffenen Inseltürken – versus Beitritt des türkischen Nordens zur Republik Zypern als Ideallösung. Die Hürden scheinen zu groß. Seit 1977 wird verhandelt. Immer wieder wechseln die Akteure, sei es in Person der griechischzyprischen oder türkischzyprischen Präsidenten oder in Person des VN-Generalsekretärs.
Gelöst wurde die Zypernfrage nie. Die eine Seite besteht auf den Titel als Regierung von Zypern, die als EU-Mitglied die wirtschaftliche Öffnung der Europäischen Union für den Inselnorden boykottieren und verhindern kann. Die Inselgriechen sehen den Zypernkonflikt weiter als Resultat eines türkischen Einmarsches im Sommer 1974 mit anschließender Besetzung des Inselnordens. Die Türken Zyperns kontern mit der einfachen Frage, warum dann die VN-Friedensmission UNFICYP genau ein Jahrzehnt älter ist als der Jahrestag dieses vermeintlichen Einmarsches? Auch in dieser historischen Beurteilung liegt ein Stück der Problematik begraben, warum der Zypernkonflikt nicht gelöst werden konnte. Bereits vor Monaten hat VN-Generalsekretär Ban Ki-moon einen Zeitplan für die Verhandlungen für gut geheißen. Er lud beide Verhandlungspartner nach New York und Genf zu direkten Gesprächen. Vergebens. Danach wurde es still. Ein wirkliches Ende der Verhandlungen hat niemand verkündet, aber es ist offensichtlich.
Die Vorbereitung zur Ausbeutung von Erdgasvorkommen vor der zyprischen Küste durch die Zyperngriechen belastet das Verhältnis schwer. Zudem hat mit dem heutigen 1. Juli die Republik im Süden Zyperns die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Diese Regierung erkennt Ankara nicht an. Würde die Türkei dies tun, würde sie auch anerkennen, dass es sich dabei um die Regierung Gesamtzyperns handele. Man würde quasi seiner eigenen Rolle als „Besatzer“ zustimmen. Daher hat Ankara bekräftigt, es werde die Beziehungen zur EU-Ratspräsidentschaft für ein halbes Jahr auf Eis legen. Dies ist Grund genug für alle Türkei-Skeptiker innerhalb der EU mit dem Finger auf Ankara zu zeigen. Dies geschieht auf dem Rücken der Zyperntürken, die weiterhin auf ein Ende der Embargos warten. Es geht nicht allein um die Öffnung der Märkte, es geht um Reisefreiheit und darum, Sportmannschaften in internationale Wettbewerbe schicken zu dürfen.
Die wirtschaftliche Schwäche des stark angeschlagenen Inselsüdens, der erstmals unter den EU-Rettungsschirm geschlüpft ist, wird zusätzlich dazu beitragen, dass man innenpolitisch nicht in der Lage ist, schmerzhafte Kompromisse mit den Türken im Norden einzugehen. Zudem kommt erschwerend hinzu, dass in gut acht Monaten im Süden der Insel ein neuer Präsident gewählt wird. Christofias ist amtsmüde und tritt nicht mehr an. Seine Chancen wären ohnedem gering. All dies trägt nicht dazu bei, dass eine Einigung der beiden zyprischen Seiten direkt bevorsteht. Europa sollte sich fragen, ob es dafür weiterhin das zyperntürkische Volk allein verantwortlich machen will. Wenn man glaubt, dass diese Art der Politik richtig ist, wird man den Status quo zementieren und aus Kraftlosigkeit einfach nichts tun. Die Türken Zyperns haben ihren Staat nun fast 30 Jahre – dank türkischer Hilfe – erhalten können. Ein europäisches Taiwan ist möglich, aber nicht wünschenswert. Die EU bräuchte die Kraft, sich für den Inselnorden zu interessieren, die Kraft, den Inselnorden in die europäische Familie zu integrieren – auch gegen den erklärten Willen derjenigen, die nicht bereit sind, den Status als „Regierung von Zypern“ abzugeben. Diese Regierung waren die Zyperngriechen im Übrigen nie. Die Fehler, die Europa und die VN in den 1960er Jahren begangen haben, sind sie nicht bereit zu sehen und dies spüren die Türken Zyperns heute noch immer. Schade, dass ein so starkes Europa sich von dem amtierenden EU-Ratspräsidenten nicht hat emanzipieren können – zugunsten eines kleinen Volkes.