Oft schon wurde erklärt: Das nächste Jahr wird das des Durchbruchs. 1988 als Denktaş und Vassiliou zu Gipfeltreffen zusammenkamen, hieß es das. Als Denktaş und Klerides mit VN-Generalsekretär Annan einen Anlauf unternahmen, wurde 1997 zum Jahr der Lösung. Und spätestens als 2004 die EU-Mitgliedschaft Südzyperns anstand und Denktaş und Papadopoulos verhandelten, wurde laut gerufen: die Lösung ist greifbar. Das Ergebnis ist bekannt. Noch einmal wurde die Lösung beschworen, als mit Talat und Christophias zwei am Verhandlungstisch saßen, die auf „einer Wellenlänge“ schienen. Nach einer Amtszeit musste Talat den Präsidentenpalast wieder räumen und Christophias kämpft derzeit um seine politische Zukunft.
Ankara scheint mit der aktuellen EU-Politik auch nicht wirklich in der Lage zu sein, einen Ausgleich zu schaffen. Die Türkei will die EU-Beziehungen einfrieren, wenn die Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr von „Zypern“ übernommen wird. In der EU jaulen Politik und Medien auf, dass ein EU-Mitgliedsaspirant doch nicht die Beziehungen auf Eis legen könne – wenn auch nur vorübergehend. Ankara aber erkennt die Republik Zypern nicht als das an, als was sie sich selbst und andere sie sehen: als Regierung ganz Zyperns, die behauptet, die Teilung sei Folge einer türkischen Invasion und die die Ereignisse des Winters 1963/64 als türkische Aufstände abtut.
Tatsächlich aber wird Ankara das Wissen um die gefühlte moralische Richtigkeit der eigenen Argumentation nichts nützen, wenn die Weltgemeinschaft die Armee aus Ankara als „Besatzungsmacht“ wahrnimmt. Man wird ein mögliches Scheitern von Gesprächen der „Unnachgiebigkeit“ der türkischen Seite anlasten, die die Realität auf der Insel „negiere“. Man wird betonen, dass seit 2010 der „Hardliner“ Eroğlu im inseltürkischen Präsidentenpalast eingezogen sei, die Verhandlungen ins Stocken gerieten und der gezeigte gute Wille der „zyprischen Regierung“ auf keinen fruchtbaren Boden fallen konnte, weil Ankara blockiere.
Äußerungen in diese Richtung gab es bereits von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Zypernbesuch. Da wird es nicht viel nützen, wenn die VN sich abmühen und die inseltürkische Regierung guten Willen zeigt, Pläne ausarbeitet, wie eine „win-win-Situation“ aussehen könnte. Am Ende zerbricht das Porzellan, wenn Ankara und Paris aus Wahlkampf- und nationalen Prestigegründen ihr Verhältnis aufs Spiel setzen oder wenn die türkeiskeptische Stimmung in Deutschland vorangetrieben wird. Am Ende wird die Zypernfrage wohl nicht in Nikosia entschieden.
Die griechische Führung (inklusive ihrer Kirche) weiß die Lage zu nutzen und lässt wenige Gelegenheiten aus, zu betonen, dass die Vereinigung nach deutschem Vorbild funktionieren kann. Das aber ist eine Sackgasse. Die TRNC wird nicht aufgelöst werden und der Republik beitreten können. Es widerspräche der Genese der Zypernfrage und würde auch den Charakter der Partnerschaft von 1960 untergraben. Was aber ist Plan B? Am Ende würde Nordzypern wohl abstimmen müssen, ob es Teil der Türkei sein mag. Und die Politik der Vergangenheit könnte dafür gesorgt haben, dass dies mit Zustimmung endet. Dann ist der Norden für die griechische Seite „verloren“ und Europa muss sich fragen, ob es mit seiner einseitigen Haltung dies mit zu verantworten hat und ob dies so gewollt war. Am Ende verlieren möglicherweise die Zyperntürken ihre Eigenständigkeit, weil Europa sich nicht durchringen konnte, von den Griechen wirkliche Kompromissbereitschaft zu fordern. So gesehen ist 2012 aufgrund der EU-Ratspräsidentschaft der Inselgriechen tatsächlich ein Schicksalsjahr.