Fikret Demirağ, geboren 1940 in Lefke, war Poet, Schriftsteller und Humanist.
… ist am 28. November 2010 gestorben, nicht ganz unerwartet, doch erschreckend überraschend. Ich erinnere mich gut an ihn. Viele Male sprachen wir über Dichtkunst. Es sind nur wenige Monate her, dass ich mein Interview mit ihm beendete, das wir vor zwei Jahren begonnen hatten. Immer waren es gesundheitliche Gründe. Wir sind alle tief betroffen, dass wir ihn nun verloren haben, doch haben wir seine Gedichte, in denen er weiter mit uns spricht, Gedichte, die ich sehr schätze. Hier ist ein Ausschnitt aus meinem Interview, das seinen Platz im zweiten Band meines Buches “Art and Creativity in North Cyprus” haben wird. Ich trauere mit seiner Familie und den zahlreichen Freunden.
Das Interview mit dem Titel “Psalms for the Time of Poetry / Gesänge für die Zeit des Dichtens” beginnt mit einigen Gedichtfragmenten. Einer seiner Freunde hat die Gedichte ins Englische übersetzt, und da ich mich ebenfalls als seinen Freund betrachte, möchte ich hier die Verse ins Deutsche übersetzen – ich weiss, dass er es bejahen würde:
Mit eines Dichters Stimme fließt durch den Raum
ein Gedicht durch die Venen der Zeit;
Und dann streicht der Wind durch die Tamarisken.
Ich ähnle der Stimme von Psalmen, der von Jesus auch,
Ich bin das Liebeslied, das tropfend
von den Saiten einer verwundeten Lyra
auf die Erde wie Regen fällt.
Ich bin der helle Morgenstern am Himmel
wenn ein Gedicht durch die Venen der Zeit fließt.
Du bist ein Poet
Du bist wie insistierender Regen.
Du bist wie ein Samenkorn,
das Gedicht vor Mutter Erde schützend
von der Du abstammst.
Du beschützt, unter Dornen und Büschen,
das Leben gegen den Tod.
Du bist wie der hohe goldene Mais.
Du trinkst Ängste und Schmerzen
sie als Gesang wiedergebend.
Du bist wie eine Nebelglocke,
ein Poet, dessen Stimme erzittert.
Du bist wie eine Lerche, wie eine sich öffnende Zitronenblüte.
Dein Herz ist das Feld, das Du jeden Tag durchpflügst.
Du schreist an gegen Wässer und Lüfte.
Eine Stimme. Eine Botschaft. Ein Briefumschlag getragen vomWind.
Was verbirgst Du? Bis wohin reicht Dein Echo, und wie lange?
Manchmal bist Du die Frage,
manchmal die Antwort selbst;
Über einen Abgrund stürzt Deine Stimme
Oder weit hinaus ins All.
Du bist Poet, obwohl von keinem verlangt;
Es ist Dein Schicksal, Du folgst der Stimme der Hoffnung.
Du bist der Soldat Deines Herzens, der Sänger im Olivenhain.
Wer weiß, welche Flugnummer Deine Stimme hat.
Du bist das Herz und zitternde Blatt der Liebe.
Du ergötzt Dich an einem Korb frischer Feigen.
Und Du schwimmst weiter, unaufhörlich,
um eine Küste zu erreichen,
doch vielleicht schaffst Du es nie.
Nicosia, 19. 7. 1986
Fikret Demirağ hat ein friedliches Gesicht, eines Denkers Stirn, braune Augen hinter großen Gläsern; die Bewegungen seiner Hände sind kontrolliert, da ist nichts Unbedachtes an ihm. Er beobachtet, ganz entspannt. Ich sitze ihm gegenüber in seinem Haus in einem Vorort von Nicosia. Seine Kinder sind angereist um sie zu besuchen. Da herrscht Liebe im Raum. Ein Enkelsohn kriecht plappernd herum und untersucht alles mit seinen Händen, was geduldig lächelnd beobachtet wird. Ein Raum voller Bücher. “Meine Gedanken sind immer hier, in meinem Land, in diesem Haus, diesem Raum, wo ich am liebsten arbeite, wo ich Dichter sein kann, wo ich meine Freunde treffe, auch wenn ich viel Zeit in Istanbul verbringen muss. Seine Frau nickt dazu. Zeki Ali, selbst Dichter und enger Freund, ist mit mir gekommen, um bei möglichen Sprachschwierigkeiten zu helfen. Wir hatten kaum welche. Die Fortsetzung des Gesprächs fand erst ein Jahr später statt, da Fikret erhebliche Gesundheitsprobleme hatte. Ich wollte mich jedoch nicht auf schriftliche Fragen einlassen, da ich beobachten wollte, wie seine Augen die Farbe ändern, während wir sprechen.
Fikret Demirağ wuchs in einem magischen Gebiet der Insel auf, in Lefke. Ich spüre den Zauber ganz deutlich, wenn immer ich über die Inselberge in diese Gegend komme. Ich betrete auf dem Wege dorthin einen anderen Raum, sogar die Luft hat ein anderes Aroma, als wenn man durch einen Vorhang tritt …
Ich sehe ihn dort, jetzt, hinter diesem Vorhang, auf einer anderen Ebene.
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